Gastartikel von Christian Arno von Lingo24Wenn man mit seinem Unternehmen neue Märkte in aller Welt erschließen möchte, um seine Produkte oder Dienstleistungen einer noch größeren Masse zu präsentieren, dann muss man lernen, die unterschiedlichen Kulturen zu verstehen und sich diesen anpassen.

Und das gilt auch fürs Internet: Wenn man international agieren möchte, dann reicht es nicht aus, die eigene Website einfach nur zu übersetzen und dann zu hoffen, dass alles 1:1 übertragbar ist, sondern auch hier muss man lernen, mit fremden Kulturen, Gepflogenheiten und Bräuchen umzugehen, wenn man auch in anderen Ländern oder gar Kontinenten erfolgreich sein möchte.

Einer der sich damit bestens auskennt, ist Christian Arno, Gründer und Geschäftsführer von Lingo24. Durch die Tätigkeit im Übersetzungsservice hat er natürlich regelmäßig mit den unterschiedlichsten Ländern, Kulturen und Sitten zu tun, denn es reicht beim professionellen Übersetzen bei weitem nicht aus, einfach die sichtbaren Worte 1:1 zu übersetzen, sondern es gehört mehr dazu

Im Zusammenhang damit präsentiere ich Ihnen heute mal einen etwas anderen – da sehr tiefgründigen – Gastartikel von Christian Arno, der darin unter anderem auf die Erschließung neuer, aufstrebender Märkte eingeht und feststellt, dass hier längst nicht alles Gold ist, was glänzt…

Aufstrebende Märkte: Nicht alles Glänzende ist Gold

Der Schweizer Großkonzern Nestle™ steigerte seinen Gewinn 2011 gegenüber 2010 um 8,1 Prozent. Gut dreizehn Prozent des Wachstums entstand in aufstrebenden Märkten, etwa dreimal so viel wie in den Industrieländern. Das klingt gut, nicht wahr? Es sind unter anderem solche Nachrichten, die manche Führungsetage in kleinen und mittleren Unternehmen zum Nachdenken bringen, ob sich ein Engagement in den „emerging markets“ (aufstrebenden Märkten) nicht auch für sie lohnen würde.

Soviel vorweg: Es kann sich lohnen. Allerdings darf man sich nicht allzu sehr von hohen Wachstumszahlen – etwa beim Bruttoinlandsprodukt – zu einer Expansion verführen lassen, ohne einen intensiveren Blick auf Chancen und Risiken zu werfen. Nicht alles Glänzende ist Gold. Und wer sich einmal zu einer Expansion in ein bestimmtes Land entschlossen hat, sollte sich stets bewusst sein: Die Globalisierung hat nicht dazu geführt, dass die Unterschiede von Kulturen sich aufgelöst haben.

Wer strebt denn da nach oben?

Hört man den Begriff „aufstrebende Märkte“, so gilt der erste Gedanke oftmals den BRIC Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. Vielleicht kommen einem auch die BRICS Staaten in den Sinn und man zählt Südafrika noch hinzu.

Alternativ kann man jedoch auch andere Definitionen des Begriff Schwellenlandes nutzen und dann kommen vielleicht einige osteuropäische Länder, Südkorea oder Saudi-Arabien und weitere Staaten in den Fokus. Wo soll man sich nun engagieren?

Hörensagen ersetzt keine Analyse

Bleiben wir zunächst bei den BRIC Staaten und picken uns dort China heraus. Zweistellig wachsende Bruttoinlandsprodukte verführen. Also auf nach China? Nicht unbedingt:

  • Passen die von Ihnen angebotenen Produkte und/oder Dienstleistungen für den chinesischen Markt?
  • Wie sieht die chinesische Zielgruppe aus und wie erreicht man sie? Ist sie groß genug, um Ihrem expandierenden Unternehmen ein Überleben zu sichern?
  • Wie stark ist die Konkurrenzsituation?

Das sind alles Fragen, die bei einer möglichen Expansion nach China auf eine ehrliche Antwort warten. Ehrlichkeit ist auch bei der Einschätzung von Chinas Wirtschaftskraft geboten. Nicht jeder erwartet auch in Zukunft unbändiges Wachstum. „China löst seine Probleme nicht“ hieß etwa ein in der Wirtschaftswoche veröffentlichtes Interview (11.08.2011) mit dem Ökonom Michael Pettis.

Er lehrt als Professor für Finanzwissenschaften an der zur Peking Universität gehörenden Guanghua School of Management. „Die Regierung entziehe den Privathaushalten einfach riesige Vermögen“, urteilt er im Interview. Der Anteil des privaten Verbrauchs an der Wirtschaftsleistung sei „in den letzten zehn Jahren von 46 auf 34 Prozent gesunken“ und das Wirtschaftswachstum des Landes werde sich in den nächsten Jahren „zwischen drei und fünf Prozent einpendeln“.

Soll man dort investieren? Vielleicht lohnt sich ja der Blick auf Staaten eher, die nicht jeder sofort auf dem Schirm hat, wenn es um Expansion in aufstrebende Märkte geht. Chile konnte beispielsweise 2010 ein Wirtschaftswachstum von gesunden 5,2 Prozent vorweisen und die Deutsch-Chilenische Industrie- und Handelskammer warb für das Land unter anderem mit politischer Stabilität, einer verlässlichen Wirtschaftspolitik und Gesetzgebung sowie geringer Korruption. Interessant?

Halten wir fest: Die vorangegangenen Zeilen sind kein Statement gegen ein Engagement in China und für Chile. Sie mahnen einfach dazu, intensiv zu analysieren, wo sich eine Expansion wirklich lohnen könnte. Hilfe bieten dabei etwa die Länderinformationen des Auswärtigen Amts und passende Abteilungen der Industrie- und Handelskammern.

Und plötzlich sind alle verärgert!

Wer sich einmal für einen bestimmten aufstrebenden Markt entschieden hat, kommt nicht umhin, sich auch mit den Rahmenbedingungen und der Kultur des jeweiligen Landes auseinanderzusetzen. Wer etwa bei Interkultureller Kommunikation und beim Kulturverständnis Fehler macht, muss nicht selten dafür büßen. Bleiben wir bei der Suche nach Beispielen im asiatischen Raum:

  • Adidas™ brachte 2008 eine rote Sporttasche mit fünf goldenen Sternen heraus, um so die chinesische Flagge zu imitieren und den chinesischen Nationalstolz anzusprechen. Dass in den größten der fünf Sterne ein Adidas™-Logo integriert war, fanden viele Chinesen allerdings weniger gut. Es gab viele Proteste und Adidas™ zog das Produkt zurück.

So etwas ist kein Einzelfall und ein Beispiel, wie Unkenntnis über eine Kultur wirtschaftliche Erfolge gefährdet. Letztlich sollte man kein Element erfolgreichen Marketings im eigenen Land ungeprüft für den aufstrebenden Markt übernehmen. Möglicherweise ist es sinnvoll, Produktverpackungen zu verändern, sich Gedanken um den Namen der Produkte zu machen, Produkte selbst abzuändern. Noch mehr ist eventuell wichtig:

  • Für Onlinemarketing muss die Website lokalisiert und nicht nur übersetzt werden. Das bedeutet: Alle Texte, Bilder und Fotos gehören auf den Prüfstand. Haben sie dieselbe positive Wirkung wie in Deutschland oder verletzten sie eventuell Gefühle, brechen Tabus auf eine Weise, die nicht verziehen wird?
  • Komplette Werbestrategien müssen eventuell neu entwickelt werden, abhängig von den Gewohnheiten der Zielgruppe im Schwellenland. Laut Daten von ourmobileplanet.com gehen beispielsweise in Indien viel mehr Menschen mehrfach am Tag mobil über Smartphones ins Internet als in Deutschland. Wäre Ihr Onlinemarketing darauf vorbereitet, wenn Indien das Ziel Ihrer Expansion wäre?

Wichtig für den Erfolg sind Leute, die sowohl die Sprache als auch die Kultur mit all ihren Facetten verstehen. Diejenigen aus einem Expansionsteam, die noch nicht soweit sind, sollten sich als Lernende begreifen und auch im persönlichen Umgang mit Geschäftspartnern darauf vorbereitet sein, dass in Deutschland bisweilen geschätztes Verhalten wie klare Worte und auch einmal deutliche Kritik im Gespräch anderswo eventuell gar nicht so sehr geschätzt wird.

Im asiatischen Raum gelten solche „klaren Worte“ nicht selten als verletzend und unpassend. Wer solche Dinge beachtet, findet vielleicht wirklich eine goldene Zukunft auf aufstrebenden Märkten. Wer sie ignoriert, bekommt meist nur Tand.

Über den Autor

Christian Arno ist der Gründer von Lingo24, einem Übersetzungsunternehmen, das professionellen Übersetzungsservice anbietet.

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