In den letzten Tagen lieferte Textbroker, eine der bekanntesten deutschen Plattformen für Textaufträge, seinen Mitgliedern einen relativ langen Infobeitrag aus, in dem es endlich einmal Stellung zur aktuellen Situation bezüglich künstlicher Intelligenz bezog. Auch bei anderen Plattformen herrscht offenbar fast schon Panik und niemand scheint sich so richtig ehrlich machen zu wollen.

In meinem letzten Artikel ließ ich die aus meiner Sicht interessantesten Geschehnisse rund um künstliche Intelligenz seit der offiziellen Veröffentlichung von ChatGPT Ende des letzten Jahres ein wenig Revue passieren. Weil ich selbst unter anderem als Texter tätig bin und daher natürlich eine gewisse Nähe dazu habe, liegt mir die Entwicklung der Textbranche natürlich ganz besonders am Herzen.

Deshalb möchte ich auf deren Entwicklung seither in diesem Beitrag gesondert eingehen und mich dabei vor allem auf zwei konkrete Beispiele konzentrieren, anhand derer die Situation in der gesamten Szene sehr treffend aufgezeigt werden kann.

Angst, die Wahrheit auszusprechen?

Die besagte Info von Textbroker bezieht sich auf eine interne Umfrage unter den Nutzerinnen und Nutzern sowie deren Ergebnisse. Auf einige dieser Ergebnisse geht die Plattform dort gezielt ein (vor allem in Bezug auf KI) und bezieht Stellung dazu. Eine Feststellung, die sofort ins Auge sticht: „…Autoren wollen mehr Aufträge…“ – ach was, das ist völlig überraschend. Aber direkt zurück zum Ernst der Sache…

Zumindest gibt man seitens Textbroker mittlerweile zu, dass künstliche Intelligenz ein ernstes Problem für die Textbranche ist. Im damaligen Statement relativ kurz nach der Veröffentlichung von ChatGPT klang das noch ganz anders. Hier war zumindest mein Eindruck, dass man den „bösen“ Texterinnen und Textern mehr oder weniger die Schuld für den Auftragsrückgang gab. Schließlich reichten diese plötzlich von einem Tag auf den anderen nur noch KI-Texte ein. (Achtung, Ironie!)

Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Release von ChatGPT und besagtem Auftragsrückgang räumt Textbroker noch immer nicht ein. Das könnte einen bestimmten Grund haben, aber dazu später mehr. Laut der Plattform gäbe es – zumindest im Bereich OpenOrders – weniger Aufträge, als noch vor einem Jahr. Das ist allerdings mehr als untertrieben. Denn man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass das Auftragsvolumen in diesem Bereich seit November 2022 praktisch bei null liegt. Vor einem Jahr noch war dieses riesig und täglich mehr als gefüllt. Der zeitliche Zusammenhang zu ChatGPT ist einfach nicht zu übersehen.

Weiter argumentiert Textbroker damit, die eingestellten Aufträge wären einfach sehr schnell vergriffen, weil die Autorinnen und Autoren so aktiv seien. Diese Aussage ist fast schon sarkastisch und keine Weisheit. Wenn es kaum noch Aufträge gibt, um die sich viele Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer „streiten“ müssen, dann ist es doch logisch, dass die wenigen sofort weg sind.

Starker Wechsel von OpenOrders hin zu DirectOrders

Als weiteren Grund für den Auftragsrückgang im OpenOrders-Segment nennt Textbroker den schon seit einigen Jahren feststellbaren Transfer hin zu DirectOrders, bei denen Auftraggebende die Autorinnen und Autoren ihres Vertrauens direkt mit Texten beauftragen. Belegt werden soll diese Tatsache durch konkrete Zahlen. So läge die Zahl abgewickelter Direct-Orders in Deutschland dieses Jahr bei 45 %, die Team-Orders bei 17 % und die OpenOrders nur noch bei 38 %.

Da bei diesen Zahlen kein explizites Jahr genannt wird, muss man erst einmal davon ausgehen, dass mit dieses Jahr das aktuelle Jahr 2023 gemeint ist. Doch zum einen ist dieses Jahr erst etwas mehr als sechs Monate alt und zum anderen wäre auch das wieder kein Wunder: Wenn die DirectOrders durch besagte Gründe (vor allem ChatGPT) massiv einbrechen, dann sagt diese Statistik doch überhaupt nichts über die grundsätzlichen Präferenzen aus. Das widerspricht sich sogar, wenn man die oben erwähnte Tatsache betrachtet, dass die Aufträge vor einem Jahr noch förmlich sprudelten.

Zudem stellt Textbroker einen Vergleich mit Zahlen aus dem Jahr 2018 an (Zitat): „Zum Vergleich: 2018 waren es nur 30 % DirectOrders und 56 % OpenOrders.“ Was soll das? Warum vergleicht man die aktuellen Zahlen mit 2018? Das ist fünf Jahre her. Wirklich aussagekräftig wäre doch ein Vergleich zwischen HEUTE (2023) und den Jahren bis einschließlich 2021 – vielleicht sogar bis kurz vor November 2022. Es wird immer so getan, als gäbe es ChatGPT nicht und der Zusammenhang mit den Auftragsrückgängen sei ein Hirngespinst.

Laut eigener Aussage fördere man genau diesen Umstand sogar gezielt, was aus meiner Sicht bedeutet: Textbroker legt offensichtlich (langfristig) keinen großen Wert mehr auf neue Texterinnen und Texter. Diese haben – im Gegensatz zu langjährig etablierten Autorinnen und Autoren – keine Chance, an direkte Aufträge heranzukommen. Sich zu etablieren, ist wiederum nur über viele OpenOrders möglich – ein Teufelskreis.

Diesen Umstand sowie die These, dass neue Autorinnen und Autoren in Zukunft Pech gehabt haben, beschreibt die Aussage (Zitat) „Deshalb empfehlen wir Neukunden in ihrem persönlichen Onboarding verstärkt den direkten Kontakt mit einzelnen Autoren oder ausgewählten Teams.“ noch prägnanter. Zudem untermauert dieser Satz meine These aus dem damaligen Beitrag nochmals, dass man im Prinzip – zumindest unbewusst – den Autorinnen und Autoren die Schuld zuschreibt.

Vor allem Texte mit 4 und 5 Sternen werden direkt gebucht

Verstärkt durch DirectOrders gebucht würden laut Textbroker seit einiger Zeit vor allem die Autorinnen und Autoren mit einer Bewertung von vier beziehungsweise fünf Sternen. Grundsätzlich ergibt das natürlich Sinn. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass vor allem (wie oben bereits erwähnt) die Neuen keine Chance mehr haben und über den Tellerrand fallen.

Tatsächlich ist zu beobachten, dass – wenn überhaupt – nahezu ausschließlich Aufträge im Segment zwei bis drei Sterne zu finden sind. Man könnte diese Tatsache jetzt damit böse zusammenfassen, dass die wirklich anspruchsvollen Aufträge über die DirectOrders abgewickelt werden, während der „Zwei-Sterne-Mist“ dann ruhig in den OpenOrders eingestellt werden kann. Das wiederum sagt vieles über die Wertschätzung einiger Auftraggebenden aus. Sowohl im Hinblick darauf, was man von den besagten Textenden hält als auch in Bezug auf die Qualität der eigenen Texte, die man später veröffentlichen möchte. Von denen, die diese Texte dann vorgesetzt bekommen, mal ganz angesehen.

Alle haben einmal klein angefangen und Menschen mit einer Zwei- oder Drei-Sterne-Bewertung konnte sich bisher durch Erfahrung, Fleiß und Übung zu vier oder fünf Sternen hocharbeiten. Eine höhere Sternebewertung geht logischerweise mit einer höheren Pro-Wort-Vergütung einher. Besonders der Sprung von vier auf fünf Sterne ist bei Textbroker enorm und war sogar schon immer relativ umstritten.

OpenOrders mit stupiden Rechercheaufträgen für Kleinstbeträge

Wie bereits angerissen, sind in den Segmenten für zwei und drei Sterne durchaus ab und zu „viele“ Aufträge für OpenOrders zu finden. Auf den ersten Blick sieht es wirklich so aus, als würden hier vermehrt Aufträge eingestellt. Auf den zweiten Blick ist aber auch dort überhaupt nichts mehr los. Denn in Wahrheit handelt es sich bei diesen „Aufträgen“ um fast schon beleidigende Aufgaben, bei denen man den Eindruck gewinnen könnte, es ginge entweder um plumpe Werbung oder diese Auftraggebenden hielten die Autorinnen und Autoren für total bekloppt.

Tatsächlich geht es bei diesen „Texten“ um sogenannte „Rechercheaufträge“, im Zuge derer angeblich neue Autorinnen und Autoren gewonnen werden sollen. Im Kern gibt es eine simple Auftragsbeschreibung, welche dort ernsthaft als „Briefing“ bezeichnet wird. Ohne selbst Werbung zu machen, halte ich das Briefing allgemein, da es nur zum Verständnis dienen soll. In etwa heißt es dort in der Regel:

„Tippe bei Google das Keyword XY ein und klicke auf die Landingpage. Folge der Navigation und klicke dort auf XY kaufen. Zähle anschließend die dort angezeigten Bilder auf der Homepage und trage sie im Textfeld bei Textbroker ein.“

Das Ergebnis ist also schließlich der „Text“, den man dem Auftraggebenden abgibt. Vergütet wird diese „Recherche“ mit unglaublichen 0,8 Cent pro Wort, also maximal 16 Cent pro Auftrag. Hinzu kommt, dass sowohl die Anzahl der Wörter explizit auf 20 begrenzt wird und jeder Auftrag nur einmal angenommen werden darf.

Mit Verlaub: Was für eine stupide, herabwürdigende Aufgabe soll das sein? Das ist doch beleidigend und suggeriert, dass Zwei- und Drei-Sterne-Autoren geistig minderbemittelt seien und mehr nicht zustande bekämen. Was genau hat denn die Autorin oder der Autor (bis auf die maximal 16 Cent) davon? Für mich klingt das nach plumper Werbung und es fehlt nur noch der Zusatz im Briefing: „Gebe dort deine Kreditkarteninformationen ein und klicke auf kaufen!“ – Das nenne ich mal günstigen Traffic…

Noch „lustiger“ finde ich persönlich die Tatsache, dass in den Profilen dieser Auftraggebenden nicht selten eine Änderungsquote von fast 50 % steht. Soll das heißen, dass fast jeder zweite Text aufgrund der falschen Bilderanzahl zurückgeht? Fairerweise ist in den Profilen nicht zu sehen, ob diese Auftraggeberinnen oder Auftraggeber auch noch andere Texte buchen. Eine solche hohe Änderungsquote macht aber so oder so stutzig.

Wichtig zu wissen ist, dass es sich hierbei nur um ein Beispiel handelt, denn es ist bei Weitem kein Einzelfall


Quelle: www.textbroker.de – Rechercheaufträge im Zwei- und Drei-Sterne-Segment

Textbroker möchte seine Nutzerschaft schützen

Trotz aller Auftragsrückgänge und Verschiebungen zwischen OpenOrders und DirectOrders: Textbroker möchte seine aktuellen Autorinnen und Autoren, aber auch seine eigentliche Kundschaft schützen. Auch deshalb, weil nach eigenen Angaben die Neuanmeldungen in den letzten Monaten stark gestiegen seien und man diese Vielzahl an neuen Bewerbungen erst einmal abarbeiten müsse. (Dazu später mehr!)

99 % aller Neuanmeldungen werden jetzt abgelehnt

Ein erster Schritt hierzu sei laut eigener Aussage der, dass fortan 99 % aller Neuregistrierungen abgelehnt würden. Für das restliche 1 % der Bewerbungen lägen sehr hohe Anforderungen zugrunde, um angenommen zu werden. Welche Anforderungen das sind, darüber macht die Plattform allerdings keine Angaben. Auch für welche Sterneinstufung diese gelten, bleibt ungewiss.

Das Problem allerdings bleibt: Neue Texterinnen und Texter werden kaum offene Aufträge vorfinden, wenn Auftraggeberinnen und Auftraggeber nicht umdenken. Darüber hinaus wird es für Neue ohne diese offenen Aufträge kaum bis gar keine Chancen geben, sich zu etablieren. Und das Zwei- und Drei-Sterne-Segment? Welche Anforderungen soll es hierfür künftig geben? Solche „Rechercheaufträge“ bedürfen jedenfalls keinerlei umfangreicher Anforderungen.

Textbroker dreht bereits an der Vergütungsschraube

Doch auch an seine eigentlichen Kundinnen und Kunden – die Auftraggebenden – denkt Textbroker laut eigenen Angaben: Diese möchte man ganz offensichtlich mit günstigeren Konditionen zurückholen. Das wiederum geht zulasten der Textenden. So spricht die Plattform absurderweise von einem künftigen Wettbewerb mit KI und hat bereits an der Vergütungsschraube gedreht. Im sogenannten Segment der Managed-Service-Teams wurden die Pro-Wort-Vergütungen bereits nach unten angepasst.

Die Frage ist, ob es dabei bleibt oder ob die Vergütungen bald generell angepasst werden. Wenn vor allem die Autorinnen und Autoren in den Zwei- und Drei-Sterne-Segmenten in Zukunft noch weniger Geld pro Wort erhalten werden, stellt sich die Frage, ob sich das Schreiben für diese Gruppe dann überhaupt noch lohnt – neue Aufträge hin oder her.

Wieder nicht ganz ehrlich!? Auch andere sperren die Registrierung.

Auch andere Plattformen für Textaufträge reagieren ähnlich. Zwar sperrt Textbroker die Neuanmeldung nicht gänzlich, doch eine Ablehnung von 99 % ist faktisch genau das. Doch dessen Pendant Content.de ging bereits vor Monaten genau diesen Schritt und sperrte die Neuanmeldung für Autorinnen sowie Autoren. Die Begründung lautete auch hier: Die massive Zahl an neuen Bewerbungen soll zuerst abgearbeitet werden.


Quelle: www.content.de – Neuanmeldungen sind seit Monaten gesperrt

Besonders brisant ist bei Cointent.de der Umstand, dass ursprünglich davon die Rede war, die Registrierung in der 6. Kalenderwoche wieder zu öffnen. Das lasse ich im Juli 2023 jetzt einfach mal so stehen. Leider kann ich das nicht mehr belegen, weil ich keinen Screenshot davon habe, aber ich finde das schon krass. Zum Zeitpunkt dieses Artikels jedenfalls ist die Neuanmeldung immer noch gesperrt. Übrigens scheint mir „Auftraggeber“ (siehe Screenshot) in diesem Zusammenhang ein Tippfehler zu sein, denn es handelt sich tatsächlich um die Anmeldung neuer AuftragNEHMER.

Wie dem auch sei… Dass es vielleicht wirklich plötzlich sehr viele neue Anmeldungen gibt, bezweifle ich in keinster Weise. Im Gegenteil: Ich glaube das sofort. Allerdings soll ja ganz offensichtlich suggeriert werden, dass in den letzten Monaten, ungeachtet der aktuellen Problematik, ganz plötzlich extrem viele Menschen das Texten und Schreiben für sich entdeckt haben.

Meine Vermutung (ohne natürlich Interna zu kennen) ist eine ganz andere: Die massigen Neuanmeldungen sind darauf zurückzuführen, dass jetzt tatsächlich immer mehr Menschen auf den Trichter kommen, sie könnten mit KI-generierten Texten auf Plattformen wie Textbroker oder Content.de Geld verdienen. Bereits die Bewerbertexte werden ganz offensichtlich mit ChatGPT und Co erzeugt. Die Verantwortlichen bei den Plattformen wiederum werden der Lage nicht mehr Herr und kommen schlichtweg einfach nicht mehr hinterher, weil die Texte kaum entlarvt werden können.

Fazit: Plattformen können nichts für ChatGPT und Co

Schluss endlich lässt sich festhalten, dass auch Textbroker, Content.de und Co selbstverständlich nichts für die Entwicklung von KI-Bots wie ChatGPT und so weiter können. Auch sie wurden (vermutlich) vollkommen überrascht, zumindest in Bezug auf das Ausmaß sowie die rasante Geschwindigkeit der Entwicklung. Aus diesem Grund ist ihnen diesbezüglich auch kein Vorwurf zu machen, dass sie jetzt nicht sofort die ultimative Lösung für ihre Autorinnen und Autoren präsentieren können.

Was aber einen bitteren Beigeschmack hat, ist die Tatsache, dass ganz offensichtlich nicht ganz mit offenen Karten gespielt wird. Zwar wird immer von einem „gemeinsamen Weg“ gesprochen, doch auf diesem Weg werden die meisten Nutzerinnen und Nutzer einfach im Ungewissen gelassen. Andere wiederum (Zwei- und Drei-Sterne-Segment) werden offensichtlich komplett zurückgelassen, nach dem Motto „Wer nicht mithält hat Pech gehabt.“.

Für die Plattformen kann das aber auch nach hinten losgehen

Gerade das Drehen an der Vergütungsschraube sowie das gezielte Fokussieren auf DirectOrders, können für die Plattformen auch nach hinten losgehen, indem sie sich selbst ins Knie schießen. Die OpenOrders waren immer eine sehr flexible Möglichkeit für alle Seiten: Auftraggebende konnten ihre Buchungen hinterlegen und einer ganz breiten Masse an Textenden bereitstellen. Diese wiederum konnten aus zahlreichen Aufträgen bequem heraussuchen, was zu ihnen passte. Und die Plattformen? Die konnten sich ihrer verdienten Gebühren sicher sein.

Wenn es jetzt kaum noch OpenOrders gibt und sich alles – teilweise gewollt – hin zu den DirectOrders verschiebt, müssen die Plattformen aufpassen, dass die etablierte Kundschaft nicht an ihnen vorbeiarbeitet, wenn das nicht längst geschieht. Denn wer braucht noch die Plattformen, wenn sich Auftraggebende und Textende direkt zusammenschließen und außerhalb der Plattform die Gebühren sparen!?

KI ist gekommen, um zu bleiben, das ist klar. Aber warum machen sich viele (und nicht nur diese Plattformen) dabei so unehrlich. Warum wird alles nur schöngeredet? Auch das hat Gründe, die diejenigen offenbar nicht wahrhaben wollen… (Fortsetzung folgt…)

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