Künstliche Intelligenz: Kaum ein Thema war in diesem Jahr so dominant und präsent – weit über die Online-Marketing-Branche hinaus. Doch gerade in dieser hat sie in Form von ChatGPT und Co bereits jetzt tiefe Spuren hinterlassen, ja, sogar ganze Existenzen zerstört.
Info: Dieser Artikel gehört zum mehrteiligen Jahresrückblick 2023 – schau dort gerne mal rein, damit du nichts verpasst. Er durchleuchtet die in diesem Jahr prägendsten Themen der Branche und lässt sie jeweils noch einmal Revue passieren.
Viele können das Thema Künstliche Intelligenz grundsätzlich schon gar nicht mehr hören oder lesen. Dennoch beschäftigt es uns alle – die einen mehr, die anderen weniger. Fakt ist jedoch, dass es unter anderem das Aufregerthema dieses Jahres war und vermutlich noch lange bleiben wird. Der Grund ist klar: Es trifft und betrifft immer mehr Branchen sowie Menschen und ist gekommen, um zu bleiben. Während dieser Umstand einigen (verständlicherweise) Angst macht, übertreiben es manche mit ihrem Übereifer und rutschen fast auf ihrem eigenen Speichel aus.
Von heute auf morgen Existenzen zertört
Es ist ziemlich genau ein Jahr her (November 2022) als ChatGPT – der Inbegriff der Künstlichen Intelligenz – offiziell für die breite Öffentlichkeit freigegeben wurde. Nahezu von einem auf den anderen Tag brachen daraufhin die Textaufträge auf den großen Plattformen ein, was mit einem Schlag ganze Existenzen zerstörte.
Die bekanntesten Plattformen wie etwa Textbroker oder Content.de reagierten fast panikartig und sperrten umgehend die Registrierung für neue Autorinnen und Autoren. Ein irritierende und zugleich vollkommen unehrliches Statement von Textbroker zu KI sorgte daraufhin für weitere Aufregung und Verunsicherung unter den Textenden.
Das war nur der Anfang: Immer mehr Menschen betroffen
Während die Textbranche die erste war, die die negativen Auswirkungen von ChatGPT und Co unmittelbar zu spüren bekam, folgten bis heute immer mehr Branchen. Vielen, die sich bisher über die Sorgen einiger Menschen lustig gemacht hatten, blieben ihre Witze schnell im Hals stecken, weil sie plötzlich merkten, dass auch sie betroffen sind oder schon bald betroffen sein könnten. Aber auch andere Branchen hatten reale Sorgen, die sich oftmals leider bewahrheitet haben.
Darunter beispielsweise Fotografinnen und Fotografen, die sich nun damit konfrontiert sahen, dass Künstliche Intelligenz in Sekundenschnelle ganze Bilder „herstellen“ kann – nur aufgrund kurzer Befehle, der sogenannten „Prompts„. Was in diesem Zusammenhang natürlich besonders gefährlich ist, sind dadurch entstehende Fakefotos – ob bewusst produziert oder unbewusst. Im Übrigen bleibt es nicht bei der Erstellung von Fotos, sondern komplette Videos erstellt die KI mittlerweile auf Knopfdruck – verbunden mit derselben Gefahr, sogar noch größer.
Kein Wunder, dass Forschende immer wieder nach Lösungen suchen, diese Problematik zumindest einzudämmen. So wurden bis heute unzählige Tools entwickelt, die KI-Texte oder KI-Bilder entlarven sollen. Die meisten davon aber mit kaum ernst zu nehmendem Erfolg. Vielversprechend klingt zumindest ein erst kürzlich vorgestelltes Tool, welches KI-Bilder gezielt vergiften soll, um diese unbrauchbar zu machen.
Die Internetbranche wird generell zu kämpfen haben
Unabhängig von direkt betroffenen Bereichen (Texten, Fotografie, Videoproduktion…) werden in Zukunft viele andere Internetbranchen mit den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz zu kämpfen haben. Allen voran die Suchmaschinenoptimierung, die künftig wohl nach ganz anderen Kriterien wird vorgehen müssen. Denn weil KI-Bots wie ChatGPT mit vorhandenen Daten aus dem Internet trainiert wurden und werden, stellt sich die Frage, ob Websites beziehungsweise deren Betreibenden solche KI künftig nur noch füttern. Schließlich werden selbst in den Ergebnissen der Suchmaschinen schon sehr bald offenbar keine zu besuchenden Websites mehr gelistet, sondern die Lösungen für Probleme sofort durch die KI präsentiert. Nicht wenige vermuten hierdurch sogar das Aus für die SEO-Branche.
Genau dieser Umstand – quasi der ungehemmte Diebstahl geistigen Eigentums durch KI – brachte einen New Yorker Rechtsanwalt sogar dazu, das hinter ChatGPT steckende Unternehmen OpenAI auf Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verklagen. Auch Google und Microsoft bekamen ihr Fett weg.
Sogar Google bekam plötzlich Panik
Apropos Google: Kein Geringerer als der Suchmaschinenriese selbst bekam plötzlich Panik, weil dort offenbar niemand mit der Veröffentlichung von ChatGPT sowie dessen rascher Verbreitung rechnete. Schließlich saß man selbst bereits seit Jahren auf einem eigenen KI-Bot (Bard), dessen Entwicklung allerdings gestoppt wurde, weil man Angst vor einer Veröffentlichung hatte. Und zwar genau aus vielen Gründen, die durch ChatGPT nun eintraten – von massiven Datenschutzproblemen mal abgesehen. Nach reichlichen Überlegungen und aus wettbewerbstechnischen Gründen, entschied sich Google letztlich dazu, seinen eigenen KI-Bot zu veröffentlichen.
Nach massiver Kritik und Protesten seitens seiner Mitarbeitenden vollzog der Konzern dann eine Kehrtwende und zog sich mit Bard wieder zurück. Richtig peinlich wurde es allerdings, als kurz danach die Kehrtwende der Kehrtwende erfolgte und der KI-Bot doch eingeführt wurde. Wie sich schnell herausstellte, erfolgte diese Einführung völlig überstürzt, was Google infolge einer desaströsen Vorstellung einen Milliardenverlust bescherte. Das Ganze gipfelte letztlich in einer Art Schlammschlacht um KI, die bis heute mehr oder weniger anhält.
Unfähigkeit, Verdrängung und Heuchelei
Wo Sorgen sind, findet häufig auch Verdrängung statt. Aber auch Heuchelei und Unfähigkeit sind bei solchen Entwicklungen meist nicht fern. So streitet die Europäische Union seit geraumer Zeit über die Möglichkeiten einer Regulierung von Künstlicher Intelligenz, kommt dabei aber keinen Schritt weiter und wird vermutlich mal wieder überrundet, ehe sie losgelaufen ist. Auch Diskussionen darüber, ob KI-Unternehmen beim oben genannten Datendiebstahl künftig zur Kasse gebeten werden sollen und ob sich daraus möglicherweise eine Einnahmequelle für Content-Erstellende ergeben könnte, verliefen bisher alle im Sand.
Derweilen gibt es neben den Menschen, die ihre Sorgen bezüglich KI ehrlich äußern auch jene, die die Sorgen verdrängen oder bis heute eine existenzielle Angst vor dem KI-Outing haben – teilweise, weil sie dann ihr eigenes Konzept infrage stellen müssten. Letzteres zeigt sich auch bei einer in Teilen etwas schizophrenen Beweihräucherung von Textbots durch Menschen, die nicht merken, dass sie dadurch ihre komplette Qualifikation infrage stellen. Meine etwas provokante Frage dazu war: „Schafft sich die Textbranche selbst ab, wenn sie Tools nutzt, die sie eigentlich überflüssig macht?“
Die Krönung der Heuchelei bei E-Books
Die Heuchelei in Bezug auf Künstliche Intelligenz erreicht ihren Höhepunkt dann, wenn Anbieterinnen oder Anbieter von E-Books über KI ihren eigenen Werken offenbar nicht trauen – und damit den beweihräucherten Textbots. E-Books über Künstliche Intelligenz zu vermarkten ist nichts Verwerfliches. Wenn es in E-Books aber heißt, wie einfach es sei, sich von ChatGPT und Co ganze E-Books schreiben zu lassen, die dann quasi automatisch auch für Einnahmen sorgen, dann ist das sehr fragwürdig:
Denn zum einen ist massenhaft generierter Content aus KI-Bots noch lange nicht monetarisiert und zum anderen gipfelt die Heuchelei darin, wenn zum Schreiben dieser E-Books letztlich Menschen engagiert werden, weil deren „Autorinnen und Autoren“ der KI in dieser Hinsicht selbst nicht trauen.
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