Als Twitter im Jahr 2006 gegründet wurde, löste es wie so häufig sofort einen riesigen Hype aus und konnte tatsächlich ein rasantes Wachstum vorweisen. Gegen Ende 2011 tummelten sich auf der Plattform bereits 200 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer. Mittlerweile droht Twitter ein rasanter Abstieg und das Abrutschen in die vollkommene Bedeutungslosigkeit.

Zunächst einmal: Ja, ich weiß, dass Twitter jetzt „X“ heißt. Aber weil es hier um Twitter und seine Entwicklung gehen soll, werde ich über Twitter und X schreiben, wie es entsprechend Sinn ergibt. Es ist ohnehin sehr lustig zu beobachten, wie mittlerweile alle „krampfhaft“ erwähnen, dass „X“ ehemals Twitter war. Als wüsste das keiner. Wer bisher auf Twitter (jetzt X, *lol*) aktiv war, kam nie drum herum, dies festzustellen und wer die Plattform nie nutzte, den interessiert es im Zweifel sowieso nicht. Dies zeigt nur, dass sich alle „genötigt“ fühlen, die ganz klar bekanntere, festgebrannte Marke mit dem neuen eigentlich nichtssagenden „X“ zu verknüpfen. Ganz drumherum werde ich allerdings (so befürchte ich) auch nicht kommen, dies zu tun. Wie dem auch sei:

Von einer ursprünglich als eine Art SMS-Plattform konstruierten Kurznachrichtenplattform mauserte sich Twitter relativ schnell zu einem ernst zu nehmenden Player in der Social-Media-Branche. Wie so oft stürzten sich auch bei Twitter alle sofort auf die neue Plattform, weil niemand etwas verpassen wollte und alle von Anfang an dabei sein wollten. Auch wenn die Länge der Nachrichten zu Beginn auf 140 Zeichen begrenzt und keinerlei mediale Inhalte wie Fotos oder gar Videos gepostet werden konnten, wurde der Kurznachrichtendienst schnell sehr beliebt (scheinbar).

Konnte Twitter gegen Ende 2010 bereits über 100 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer zählen, waren es bereits ein Jahr später schon 200 Millionen. Zwischen 2012 und 2015 kamen nochmal über 100 Millionen hinzu, auf bis dato mehr als 304 Millionen. Im Nachhinein betrachtet muss man aber die Frage stellen, ob das nicht schon immer Augenwischerei war und ob der Schein nicht schon immer trügte…

Twitter war eigentlich nie so populär

Wenn man ehrlich ist, muss man festhalten, dass Twitter offenbar nie so populär war, wie nach außen immer suggeriert wurde. Die oben genannten Zahlen klingen gut, beschreiben wirklich aktive Nutzerinnen und Nutzer. In Wirklichkeit macht aber eine ganz andere Zahl sehr viel deutlicher, wie „beliebt“ Twitter wirklich war. Im Februar 2012 knackte die Plattform die Marke von 500 Millionen Accounts – wohlgemerkt Accounts.

Vor allem dann, wenn sich eine kostenlose Plattform ausschließlich durch Werbung finanziert, bringt es ihr allerdings nichts, wenn sie mit unzähligen Accounts aufwarten kann, hinter denen letztlich „niemand“ steckt, der ernsthaft auf der Plattform tätig ist und mit ihr beziehungsweise deren Content oder anderen Menschen interagiert. Wer nicht aktiv ist, schaut keine Werbung, klickt nicht und bringt keinen Umsatz aus Werbeeinnahmen.

500 Accounts, aber nur 10 % wirklich aktiv

Schon gegen Ende 2010, nachdem Twitter in nur einem Jahr einen extremen Anstieg der Registrierungen verzeichnen konnte, stellte ich hier im Blog die Frage, ob Twitter als ernst zu nehmende Traffic-Quelle fürs Business vollkommen überschätzt ist und führte einige konkrete Gründe dafür an. Viele stimmten mir damals zu, doch es gab auch – wie immer – einige, die absolut überzeugt waren.

Untermauert wurde meine Ansicht bereits etwa zwei Jahre später: Damals berichtete ich hier im Blog darüber, dass Twitter zwar die Schallmauer von 500 Millionen Accounts durchbrechen konnte, davon allerdings lediglich 10 bis 20 Prozent wirklich aktiv waren. Das bedeutet, dass gerade einmal 50 bis 100 Millionen Menschen die Plattform tatsächlich nutzten, nachdem sich alle zu Beginn des Hypes „vorwitzig“ registriert hatten – allen voran im Jahr 2010. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass 90 % aller Accounts nutzlos waren.

Twitter ist heute nur noch die Hälfte wert

Im Oktober 2022 übernahm dann Elon Musk die Plattform. Eine seiner ersten Handlungen war die Entlassung etwa der Hälfte aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daraufhin verließen Twitter bereist viele finanzstarke Werbekunden. Auch wenn die Zahlen etwas auseinandergehen, sollen bis heute bereits über 30 Millionen Nutzerinnen und Nutzer die Plattform seit der Übernahme durch Musk verlassen haben. Seit Juli 2023 – ja, da ist es – heißt Twitter nun offiziell „X“ und veröffentlicht selbst (aus „gutem“ Grund) keine Geschäftszahlen mehr.

Nicht wenige fragen sich, weshalb man eine derart festgebrannte Marke mit samt den im Alltag allgegenwärtigen Begriffen wie „Tweets“, „Tweeten“ und so weiter einfach wegwirft und durch ein nichts sagendes „X“ ersetzt. Vielleicht sagt aber auch jenes X mehr über die eigentlichen Motive aus, als man vermuten würde!? Der Wert von X (Twitter, oh nein…) ist mittlerweile auf die Hälfte des ursprünglichen geschrumpft.

Technische Probleme, blaue Haken und entrüstete Promis

Neben den fehlenden Werbeeinnahmen der abgesprungenen Großkunden, liegt der Wertverfall von Twitter sicherlich auch in den vielen technischen Problemen seit der Übernahme begründet. Darüber hinaus häuften sich danach „Eskapaden“, wie der Hickhack um den blauen Haken sowie die sich darüber echauffierende Prominente, die ihn teilweise gar nicht haben wollten und so weiter.

Der Wegfall diverser Kennzeichnungen gegen offensichtliche Falschmeldungen prominenter Menschen sowie der Reaktivierung deshalb gesperrter Accounts unter dem Deckmantel der Redefreiheit sorgten dann vor allem bei vielen Unternehmen für große Sorgen und Unsicherheit. Die Absurditäten rund um das „neue“ Twitter gipfelten letztlich darin, dass im April 2023 zeitweilig das allbekannte Twitterlogo (blauer Vogel) durch das Logo der Kryptowährung Dogecoin ersetzt wurde, was deren Kurswert daraufhin tatsächlich um etwa 25 % steigen ließ.

Nicht wenige sprachen danach von einer vorsätzlichen Kursmanipulation. Zwar war schon wenige Tage später das bekannte Logo wieder zu sehen, doch mittlerweile ist auch dieses folglich durch das nun offizielle „X“ ersetzt worden. Natürlich wird jetzt auch nicht mehr getweetet, sondern gepostet und die Nutzung des ehemaligen Twitter kostet nun Geld – zumindest, wenn man es ernsthaft nutzen möchte.

Heute 1,3 Milliarden Accounts sind immer noch kaum aktiv

Tatsächlich prognostiziert eine Statistik über die Nutzungszahlen auf Twitter von Statista nach einem leichten Anstieg der Zahlen zwischen 2019 und 2022 einen deutlichen Abfall nach 2023. Dabei war zum Zeitpunkt der Erhebung im Dezember 2022 noch gar nicht abzusehen, was die Übernahme durch Elon Musk zwei Monate zuvor bewirken sollte. Demnach sollte die Zahl aktiver Nutzerinnen und Nutzer im Jahre 2024 „nur noch“ bei etwas über 335 Millionen liegen. Mittlerweile liegt dieser Wert bei gerade einmal knapp 230 Millionen weltweit.

Im Gegensatz zu den damals 500 Millionen Accounts, zählt X mittlerweile über 10 Jahre später sogar 1,3 Milliarden Accounts. Das sind mehr als doppelt so viele. Bei allerdings gerade einmal 230 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern weltweit, sind das immer noch lediglich knapp 18 %. Angesichts eines eigentlich so riesigen Konzerns, mit einer solch großen Bekanntheit, sind das – gemessen an den einstigen Bestrebungen von Twitter – eigentlich lächerliche Zahlen. Vor allem, wenn man sieht, dass die prozentuale Anzahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer seit den Anfängen quasi nie ernsthaft stieg.

Auch der allgemeine Traffic sinkt

Sogar die Zugriffszahlen selbst scheinen sich im Sinkflug zu befinden. So zeigt eine ganz frische Statistik aus dem Oktober 2023, dass die sogenannten Visits auf X alleine von August bis September um immerhin 9 % zurückgingen. Diese Zahlen belegen einmal mehr, dass all die oben bereits erwähnten Begebenheiten nicht gerade dazu beitragen, vor allem Unternehmen weiter an die Plattform zu binden.

Immer mehr (Unternehmen) ziehen sich von Twitter zurück

Zumindest was Unternehmen betrifft und somit den Business-Bereich, so scheint Twitter immer mehr an Bedeutung zu verlieren, wenn diese (siehe Beginn des Artikels) überhaupt jemals so riesig war. Jedenfalls spielen immer mehr Unternehmen mit dem Gedanken, weniger zu posten, die Aktivitäten auf Twitter (X) stark einzuschränken oder die Plattform sogar endgültig zu verlassen.

Das belegt wiederum eine aktuelle Umfrage von Bitkom unter mehr als 600 Unternehmen alleine in Deutschland ein Jahr nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk. Demnach geben 43 % der Befragten an, weniger Beiträge zu posten und 36 % weniger Anzeigen zu schalten. Jedes fünfte Unternehmen erwägt sogar, den eigenen Account komplett zu löschen und sich gänzlich von der Plattform zurückzuziehen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Unternehmen (74 %) fordern eine stärkere Kontrolle von Twitter beziehungsweise X. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei der massive Anstieg von Falschmeldungen, ungefilterte Hassreden, extreme politischen Haltungen sowie damit verbundene Unsicherheiten seitens der Unternehmen, die sich nicht selten auch indirekt damit in Verbindung gebracht sehen, was letztlich auch geschäftsschädigend sein kann.

Was sollen Unternehmen noch auf Twitter / X?

Andererseits stellen sich vermutlich immer mehr Unternehmen auch die Frage, ob es grundsätzlich noch Sinn ergibt, sich auf einer Plattform zu bewegen oder sogar auf ihr zu werben, wenn normale Nutzerinnen und Nutzer durch die Einführung der Bezahlversion ohnehin kaum noch Inhalte ernsthaft konsumieren. So erlaubt die kostenlose Nutzung von X unter anderem nur noch das Lesen einer limitierten Anzahl an Posts pro Tag. Wer nicht zahlen möchte, kann also sowieso nicht mehr alles lesen. Diese Accounts erreichen Unternehmen somit schlichtweg nicht mehr ausreichend.

Dennoch ist es natürlich schwierig, sich von heute auf morgen von einem Kommunikationskanal komplett zu verabschieden, der für viele Unternehmen als einer der wichtigsten überhaupt zählt. Das jedenfalls geben ebenfalls 43 % der Befragten an – ein Dilemma. Andererseits zeugt das aber einmal mehr von der Gefahr, sich von einzelnen Plattformen oder überhaupt Social Media* nahezu komplett abhängig zu machen, anstatt sich beispielsweise mehr auf E-Mail-Marketing zu konzentrieren.

Letztlich wird die Zukunft zeigen, wie es mit X weitergehen wird. Was Elon Musk im Endeffekt mit der Übernahme wirklich bezwecken wollte und wie sich ein eigentlich erfolgreicher Geschäftsmann wie er dabei wirklich so verzocken konnte, bleibt wohl ein Rätsel. Vielleicht war diese Investition für ihn ohnehin nur „Spielgeld“ und der Plan dahinter (nochmal) vielleicht doch mehr mit einem X zu tun, als man vielleicht vermuten würde!?

Ehrlicherweise muss man aber auch ergänzen, dass Twitter zumindest in Deutschland schon immer einen schwierigen Stand hatte und hierzulande in diversen Nutzungsrankings stets die letzten Plätze belegte. So erreicht X in Deutschland auch Stand 2023 lediglich etwas mehr als 14 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, was im weltweiten Vergleich verhältnismäßig sehr dürftig ist.

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